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Verursacht Cannabis Halluzinationen?
Oft hat Cannabis eine entspannende und angenehme Wirkung. Mit Extrakten und Esswaren auf den Putz zu hauen, kann dieses Erlebnis jedoch viel intensiver machen. Solltest Du jemals damit experimentiert haben, hast Du wahrscheinlich eine Erfahrung gemacht, die eher Psychedelika ähnelt als einem normalen Cannabis-High. Ist Gras also wirklich halluzinogen?
Steige in eine der häufigsten Debatten unter Psychonauten ein: Ist Cannabis halluzinogen?
Wenn von psychedelischen Erfahrungen die Rede ist, sind LSD, Psilocybin-Pilze, DMT und Meskalin oft die Hauptthemen. Im Vergleich zu diesen psychedelischen Substanzen wirkt Cannabis über einen ganz anderen biochemischen Weg und hat in der Regel viel mildere Wirkungen. Trotz der deutlichen Unterschiede, ein paar Gramm Pilze zu kauen oder einen dicken Joint zu rauchen, wird Cannabis in der Fachliteratur traditionell als halluzinogene Droge eingestuft.
Inhaltsverzeichnis:
Halluzinationen, Pseudohalluzinationen, Halluzinose und Synästhesie: Veränderte Bewusstseinszustände definiert
Das Wort "Halluzination" leitet sich vom altgriechischen und lateinischen Wort "alucinari" ab, was so viel bedeutet wie "in Gedanken umherschweifen, müßig reden, schwätzen, träumen". Solche Wahrnehmungsstörungen können verschiedene Sinnessysteme betreffen, zum Beispiel
- 👁️ Visuell
- 👂 Auditiv
- 👃 Olfaktorisch (Geruch)
- ✋ Taktil (Berührung)
- 👄 Gustatorisch (Geschmack)
Aus klinischer Sicht umfasst eine Halluzination alle sensorischen Phänomene, die ausschließlich im Kopf stattfinden, ohne dass es einen äußeren Auslöser gibt. Diese Erfahrungen, die nicht mit der Realität übereinstimmen, werden von den Betroffenen als eindeutig authentisch wahrgenommen und immer als etwas verstanden, das von außerhalb des Körpers kommt. Im Gegensatz dazu werden Pseudohalluzinationen – typischerweise Stimmen, die aus dem "eigenen Kopf" kommen – ebenfalls als real wahrgenommen, aber eindeutig nicht als außerhalb des Körpers wahrgenommen wie bei "echten" Halluzinationen.
Andere verwandte Begriffe sind "Halluzinose" und "Illusionen". Beide werden hauptsächlich mit visuellen Störungen in Verbindung gebracht. Die Halluzinose zeichnet sich durch die Formation neuer Bilder aus, wie zum Beispiel fraktale und geometrische Muster, während Illusionen im Allgemeinen durch die Verformung oder Umwandlung von Objekten gekennzeichnet sind. In beiden Fällen haben diese Wahrnehmungsveränderungen immer eine äußere Darstellung und werden von der Person, die sie erlebt, immer als eindeutig unwirklich wahrgenommen.
Eine weitere interessante, aber weniger verbreitete Empfindung, die mit diesem Thema zu tun hat, ist das Konzept der Synästhesie. Diese kann als eine Art zusätzliches sensorisches Erlebnis, das durch einen völlig unverwandten Reiz entsteht, definiert werden. Als Beispiel für diese sensorische "Verzerrung" ist es denkbar, dass eine synästhetische Person "Farben hört", "Töne sieht" oder Gerüche oder Geschmäcker wahrnimmt, nachdem sie etwas berührt hat.
Halluzinosen und Illusionen sind die am häufigsten ausgelösten Empfindungen, die durch die oft fälschlicherweise als "halluzinogen" bezeichneten Substanzen hervorgerufen werden. Bei extremen psychedelischen Erfahrungen berichten manche Konsumenten/Konsumentinnen jedoch von tiefgreifenden Erlebnissen wie dem Eintritt in andere Dimensionen und der Kommunikation mit bewussten Entitäten.
Einige indigene Glaubenssysteme – genauso wie einige moderne Psychonauten – betrachten diese Ereignisse auf ihre Weise als "real" und meinen, dass diese veränderten Zustände es uns ermöglichen, andere Aspekte unseres Universums wahrzunehmen. Andere Nutzer/innen, Gelehrte und Wissenschaftler/innen vertreten hingegen die Ansicht, dass solche Phänomene allein auf die Veränderung der Gehirnchemie zurückzuführen sind.
Manche Menschen erleben Halluzinationen allerdings, während sie völlig nüchtern sind. Diese Erfahrungen können auf mehreren Faktoren beruhen, zu denen beispielsweise gehören:
- Geisteskrankheit
- Neurologische Erkrankungen
- Alkoholentzug
- Schlafstörungen
Obwohl visuelle Halluzinationen und Illusionen das Wesen der psychedelischen Erfahrung ausmachen, sind tatsächliche Halluzinationen und Pseudohalluzinationen nach der Einnahme regelmäßiger Dosen bewusstseinsverändernder Chemikalien selten. Im letzteren Fall könnte der Konsument/ die Konsumentin unter einem schwerwiegenden gesundheitlichen Problem leiden, das ärztlichen Rat erfordert.
Wirkmechanismen psychedelischer Substanzen
Zu den natürlichen Psychedelika gehören LSA, Meskalin und Psilocybin. Zahlreiche Kulturen auf der ganzen Welt verwenden diese Substanzen seit Tausenden von Jahren, um mystische Erfahrungen zu induzieren und mit dem Göttlichen zu kommunizieren. Moderne westliche Nutzer nehmen diese Substanzen häufig zu Erholungszwecken ein, obwohl viele Psychonauten die Erfahrung immer auch mit Spiritualität verbinden.
Obwohl die "klassischen Halluzinogene" unterschiedliche Erfahrungen hervorrufen, haben sie alle etwas gemeinsam: Sie aktivieren hauptsächlich den Serotonin-5-HT-Rezeptor.
Das serotonerge System spielt im Nervensystem eine grundlegende Rolle für die Signalübertragung zwischen Neuronen. Serotonin – das Signalmolekül innerhalb dieses Netzwerks – reguliert Stimmung, Emotionen, Gedächtnis und Kognition. Die Überstimulierung dieses Systems ist die Grundlage für die halluzinogenen Erfahrungen, die diese Substanzen mit sich bringen.
Wie verhält es sich mit Cannabis?
Cannabissorten, die von ihren Nutzern zu Genusszwecken eingenommen werden, enthalten meist die psychotrope Verbindung THC. Wird dieses Cannabinoid eingeatmet, gelangt es in den Blutkreislauf und bindet an CB1-Rezeptoren, die hauptsächlich im zentralen Nervensystem anzutreffen sind. Diese Rezeptoren gehören zum Endocannabinoid-System, bei dem es sich um ein körpereigenes Netzwerk handelt, das verschiedene Prozesse reguliert, die für die menschliche Physiologie entscheidend sind.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass THC das intern produzierte Cannabinoid (oder "Endocannabinoid") Anandamid (AEA) nachahmt. Forscher glauben, dass Anandamid, das man auch als "Molekül der Glückseligkeit" bezeichnet, für das "Runner´s High" verantwortlich ist – jenes euphorische Gefühl, das Langstreckenläufer empfinden, wobei Anandamid dabei hilft, Motivation, Vergnügen und Belohnung zu regulieren.
Indem THC an die CB1-Rezeptoren bindet, bewirkt es einen Anstieg des Dopaminspiegels. Dieses Signalmolekül kann Euphorie, Freude und andere wesentliche Charakteristika des Cannabis-Highs hervorrufen. Umgekehrt kann Gras allerdings auch negative Nebenwirkungen wie Paranoia, Verwirrung und Panik hervorrufen.
Obwohl Weed derzeit nicht als Halluzinogen eingestuft wird, hat der Mensch das Kraut lange Zeit mit mystischen Erfahrungen in Verbindung gebracht. Indische Hindus und Buddhisten aus Nepal trinken mit Cannabis infundierten Bhang, um transzendentale Zustände zu erreichen. Rastafari rauchen Cannabis, um Jah näher zu kommen. Selbst gelegentliche Cannabiskonsumenten erhalten Einsichten und erleben philosophische Durchbrüche.
Cannabis führt jedoch nicht zu intensiven Trips in andere Welten oder zu außerkörperlichen Erfahrungen – zumindest nicht in dem Maße, wie dies für echte Psychedelika gilt. Diese Tatsache ist ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn man die pharmakologische Wirkung von Cannabis mit der von Psychedelika vergleicht.
Trotzdem behaupten einige Nutzer, Halluzinationen zu erleben, wenn sie Cannabis konsumieren. In manchen Fällen beruhen diese Erfahrungen auf zugrunde liegenden psychischen Erkrankungen wie Psychosen, die durch THC verschlimmert werden können. Das Cannabinoid kann jedoch auch bei gesunden Menschen zu Halluzinationen führen.
Ein in der Zeitschrift Cannabis and Cannabinoid Research veröffentlichter Artikel diskutiert Berichte[1] über das Auftreten von Halluzinationen nach einer akuten Dosis Cannabis. Nachdem eine Testperson 25mg THC verdampft hatte, berichtete sie von einer halluzinogenen Erfahrung, die sich von einer durch klassische Psychedelika verursachten unterschied. Obwohl es sich um einen Einzelfall handelt, erwägen die Forscher, Cannabis könne durch einen Mechanismus, der sich von dem anderer psychedelischer Verbindungen unterscheidet, eine halluzinogene Erfahrung hervorrufen.
Extrakte und Esswaren: die letzte Grenze?
Das Rauchen von Blunts und Bongtöpfen könnte Deine Stimmung heben, den Geschmack von Speisen intensivieren und Dich in philosophische und existenzielle Diskussionen katapultieren. Die Wahrscheinlichkeit, nach dem Rauchen von Weed Halluzinationen zu erfahren, ist allerdings gering. Das Streben nach immer intensiveren Highs hat dazu geführt, dass Cannabiskonsumenten über den Tellerrand hinausblicken.
Wir Menschen nehmen bereits seit Tausenden von Jahren Cannabispräparate zu uns. Nimmt man Cannabinoide ein, gelangen diese Verbindungen durch den Verdauungstrakt in die Leber, bevor sie den Blutkreislauf erreichen. Die Leber wandelt THC in 11-Hydroxy-THC um, einen Metaboliten, von dem bekannt ist, dass er intensivere psychotrope Wirkungen hervorruft. Bei Esswaren dauert es in der Regel länger, bis sich die Wirkung einstellt; sie lassen Dich aber wissen, wenn sie es tun. Erfahrungsberichte beschreiben unterschiedliche psychotrope Erfahrungen, von bloßer Entspannung bis zu ausgewachsenen halluzinogenen Zuständen. Vergleicht man 1mg THC mit 11-Hydroxy-THC[2], führt letzteres viel schneller zu psychoaktiven Effekten, was möglicherweise auf seine stärkere Affinität zum CB1-Rezeptor zurückzuführen ist.
Cannabiskonzentrate sind eine effiziente Möglichkeit, das Endocannabinoid-System mit Phytocannabinoiden zu sättigen. Vollspektrumextrakte liefern hohe Dosen einer Reihe von Cannabis-Phytochemikalien. Einige von ihnen könnten in einem synergistischen Tanz zusammenwirken, der als Entourage-Effekt bekannt ist. Terpene und andere Cannabinoide begleiten THC, um einen intensiven und dennoch abgerundeten Effekt zu erzielen. Das Vorhandensein von CBD einem partiellen Dopamin-Agonisten, und einigen entspannenden Terpenen wie Myrcen und Linalool könnte dafür verantwortlich sein, dass Vollspektrumextrakte weniger wahrscheinlich eine halluzinogene Erfahrung auslösen.
Im Gegensatz dazu weisen THC-Isolate einen Gehalt des Cannabinoids von etwa 99% auf. Die Dosierung derart hoher Mengen der Verbindung kann die Psyche einem halluzinogenen Zustand näherbringen.
Ist Cannabis wirklich halluzinogen?
Im engeren Sinne sicherlich nicht. Einige Nutzer/innen berichten jedoch, schon vom bloßen Rauchen von Cannabis getrippt zu haben. Andere behaupten, dass mehr als 100mg THC nötig sind, um die Startrampe verlassen zu können. Was wir wissen: THC verhält sich nicht wie ein klassisches Psychedelikum. Frühe Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass es durch verschiedene Mechanismen seine eigene Art von Halluzinationen katalysieren könnte. EAußerdem wissen wir, dass sich die Wirkung von Cannabis von Person zu Person unterscheidet. Aus diesem Grund solltest Du verantwortungsbewusst handeln und immer mit Vorsicht experimentieren, wenn Du Dich entscheidest, Gras, Edibles oder Extrakte zu konsumieren!
- “Hallucinations” Following Acute Cannabis Dosing: A Case Report and Comparison to Other Hallucinogenic Drugs https://www.ncbi.nlm.nih.gov
- Comparative pharmacology of Delta9-tetrahydrocannabinol and its metabolite, 11-OH-Delta9-tetrahydrocannabinol - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov